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Geschichte: Die Örtze - Der echteste Heidefluss

Die Örtze ist etwas Besonderes, darin sind sich alle einig.

Die Örtze im Naturpark Südheide
Die Örtze im Naturpark Südheide
©Lüneburger Heide GmbH/Alexander Kaßner
Heidefluss Örtze
Erinnerung an die Flößerei auf der Örtze
©Hubertus Blume
Natur erleben an und auf der Örtze
©blumebild.com/Blume, Hubertus Blume
Alte Mühle an der Örtze
©Hubertus Blume
Wasserwandern auf der Örtze
©by Thomas Steuer
Wasserwandern auf der Örtze
©by Thomas Steuer
Wasserwandern auf der Örtze

Kanuten schätzen den Heidebach für seinen größtenteils unbegradigten, kurvenreichen Verlauf. Sie wollen sanft dahingleiten und Natur pur genießen. Naturschützer mühen sich seit Jahrzehnten diese Natürlichkeit zu bewahren und die Örtze wieder zu dem zu machen, was sie lange Zeit war – der Lachsfluss in der Heide.

Wie ist die Örtze entstanden?

Entstanden ist die Örtze durch das Schmelzwasser der letzten Eiszeit. Die abfließenden Wassermassen spülten vor etwa 150.000 Jahren ein breites Urstromtal aus, durch das die Örtze bis heute den Mittelteil der Südheide entwässert. Ihren Anfang macht die Örtze auf dem heutigen Truppenübungsplatz Munster-Nord. Zahlreiche kleinere Heidebäche, wie die Ilster, die Kleine Örtze und die aus dem Wietzenbruch bei Wietzendorf kommende Wietze führen ihr auf ihrem Weg zur Aller Wasser zu. Darum gilt die Örtze, wenn sie  nach rund 62 Kilometern in die Aller fließt, als ihr größter rechter Nebenfluss. Die Böhme im Westen ist zwar ein paar Kilometer länger, bewegt allerdings nicht so viel Wasser.

Der Heidefluss Örtze als Verkehrsweg

Alt ist auch die Geschichte der Örtze als Verkehrsweg. Louis Harms, der Begründer der Hermannsburger Mission berichtete, dass bereits im 10. Jahrhundert Landolf, der erste christliche Missionar des Celler Landes, mit dem Boot zunächst die Aller und dann die Örtze hinauf gepaddelt kam, um vom Sachsenherzog Hermann Billung die Erlaubnis zum Verkünden des Evangeliums zu erbitten. Harms lieferte in seinem Buch „Goldene Äpfel in silbernen Schalen“  auch einen Erklärungsansatz für den Namen des Baches. Abgeleitet vom altdeutschen Wort „Horz“ für Pferd, soll der Name demnach den schnellen und springenden Verlauf der Örtze beschreiben. Diese Namensdeutung ist allerdings nicht unumstritten. Andere deuten ihn als „die stark Strömende“.

Die Örtze als Lachsfluss


Eindeutig belegbar ist, dass die Örtze in der Vergangenheit die Heimat vieler Lachse war. Südlich von Wolthausen wurde seit dem 15. Jahrhundert ein herrschaftlicher Lachsfang betrieben. An einem Stauwehr wurden die Lachse in Körben gefangen und an die Schlossküche in Celle geliefert. In der Fangsaison 1679 – 1680 wurden auf diese Weise 144 Lachse gefangen, die zusammen 449 Pfund wogen.

Rückgang des Lachbestandes

Als Folge des technischen Fortschritts ging der Bestand der Lachse immer weiter zurück. Insbesondere die großen Stauwehre und Schleusen in Aller und Weser, aber auch das Mühlenwehr in Wolthausen machten es für die Lachse unmöglich, an ihre Laichplätze zurückzukehren. Der letzte Lachs wurde 1927 vom Müdener Kantor Schütze mit der Angel gefangen. Lachse sind bekanntermaßen Wanderfische, die ihre Kinderstuben verlassen, um in den Nordatlantik bis Grönland zu schwimmen. Nach etwa fünf Jahren versuchen sie dann zurückzukehren, um an ihren Schlupforten neue Eier zu legen. Die dafür nötigen Kiesbänke wurden aber immer mehr von Sand überlagert oder auch ausgebaggert. Die Populationen von Lachs und Meerforelle gingen auf null zurück.

Intensive Nutzung der Örtze

Die Örtze wurde in der Vergangenheit vom Menschen intensiv genutzt. An ihren Ufern wurden zwischen Müden und der Mündung bei Winsen ab dem 17. Jahrhundert etwa 20 Bindestellen für Holzflöße angelegt. Dazu wurde die Böschung abgeflacht, um die in den nahen Wäldern gehauenen Stämme leichter ins flache Wasser rollen und zu Flößen binden zu können. Zwei bis drei Meter breit und gut 20 Meter lang wurden diese Holzflöße. Mehr ging auf der kurvenreichen Örtze nicht. Uferabbrüche drohten, wenn ein Flößer sein Gefährt nicht im Griff hatte. Dazu erschwerten einige Stauwehre die ungehinderte Flussfahrt. Der Müller in Wolthausen und bis 1806 auch der gut einen Kilometer weiter flussabwärts arbeitende Lachsfänger mussten für jedes Floß ihre Stauwehre in der Örtze öffnen. Sie ließen sich diesen Dienst und den damit verbunden Verdienstausfall von den Holzhändlern gut bezahlen. Lohnenswert war die Flößerei auf der Örtze dennoch, denn vor allem in der Gründerzeit war der Bedarf an Bauholz groß und der Holzverkauf brachte entsprechend große Gewinne. In den Jahren 1869 bis 1879 fuhren jedes Jahr durchschnittlich 1.200 Flöße die Örtze hinunter. Mit dem Bau der Eisenbahnen wurde die Flößerei auf der Örtze unrentabel. Zudem versandete der Unterlauf des Flusses immer mehr und das Interesse der Obrigkeit, die Befahrbarkeit durch aufwendige Arbeiten zu verbessern, schwand.


Rieselwiesen an der Örtze

Ende des 19. Jahrhunderts wurden vielerorts neue Stauanlagen in die Örtze gebaut und das angestaute Wasser über die Wiesen geleitet, um den Heuertrag zu steigern. Diese Bewässerungswiesen prägten, bis zur Einführung des Kunstdüngers, die Auenlandschaft der Örtze. Von größeren Umbaumaßnahmen blieb der Bach allerdings verschont, so dass er sich heute wieder als naturnaher Lebensraum präsentieren kann.

Durch den Bau von Klärteichen am Truppenübungsplatz und moderner Kläranlagen für die Dörfer wurde die Wasserqualität wieder deutlich verbessert. Schwarzerlen, Eschen und andere Laubbäume säumen die Ufer. In ihrem Schatten kann sich die Örtze ihren Charakter als sommerkalter Heidebach bewahren. Der gesamte Verlauf wurde zum Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet erklärt, denn viele bedrohte Pflanzen-, Insekten- und Fischarten kommen hier noch vor.

Hierzu gehören:

  • der Flutende Hahnenfuß
  • das Sternchenmoos
  • die Grüne Keiljungfer
  • die blaue Prachtlibelle

Fische wie die Bachforelle, Äsche, Mühlkoppe und die zu den Rundmäulern zählenden Bach- und Flussneunaugen prägen die Unterwasserwelt der Örtze als Referenzgewässer des Landes Niedersachsen.

Auch andere Tiere sind hier zu Hause:

  • Eisvogel
  • Fischotter
  • Schwarzstorch
  • Wasseramsel


Wasserwandern auf der Heide echtester Fluss

In diesem Naturparadies ist Paddeln ein ganz besonderes Vergnügen. Die hohe Fließgeschwindigkeit und der sehr kurvenreiche Verlauf stellen aber auch geübte Kanuten vor echte Herausforderungen. Der Lohn ist die Ruhe. Eins werden mit der Natur. Einfach nur sanft Dahingleiten und mehrere Stunden den Lärm und Stress des Alltags vergessen.

Ein unvergessenes Erlebnis für Wasser- und Naturfreunde.


Geeignete Ausrüstung können Interessierte bei Bootsverleihern in der Region ausleihen. Eine von ihnen ist Irmhild Siemering aus Hermannsburg. Sie ist zertifizierte Kanutouristikerin und Mitglied im Bundesverband Kanu e.V.. Unter dem Titel Kanu-Feeling bietet sie individuelle Touren auf Aller und Örtze an. Qualität und Nachhaltigkeit stehen für sie dabei im Vordergrund. Das beginnt mit den unsinkbaren Booten und zeigt sich besonders in den ausführlichen Einweisungen, die jeder Tour vorangehen. Die Örtze ist halt etwas Besonderes und es gelten besondere Verhaltens- und Befahrensregeln. Um die Uferbereiche und Auen zu schonen, darf beispielsweise nur an den entsprechenden Stellen ein- und ausgestiegen werden. Damit die ökologisch besonders wertvollen Kiesbänke erhalten bleiben, wird nur bei ausreichender Wassertiefe gepaddelt. An den Bootsanlegern müssen die Pegelstände dafür grün anzeigen. Außerdem sind ausschließlich kleine Boote mit eindeutiger Kennzeichnung und nur in der Zeit zwischen 16. Mai und 14. Oktober zugelassen. Verantwortungsbewusste Bootsverleiher, wie Irmhild Siemering von Kanu-Feeling, kennen und achten diese Regeln, damit der wildromantische Charme der Örtze und ihre besondere Natürlichkeit auch in der Zukunft bewahrt bleiben.

Der oft zitierte Heideromantiker Hermann Löns schrieb mit Recht:

„Viele Flüsse und Flüßchen hat die  Lüneburger Heide; ihr echtester Heidefluß aber ist die Örtze.“

Die Örtze brachte die Menschen auf fantastische Geschichten. Wohl um ihre Kinder vom Spielen in der Örtze abzuhalten, erfanden Eltern den Otterbock. Niemand hat ihn jemals gesehen, aber wer zu dicht an das Wasser ging, wurde angeblich von ihm geschnappt und unter Wasser gezogen. Dank dieser Schauergeschichte soll so manches Kind davon abgehalten worden sein, in die Örtze zu springen, bevor es schwimmen gelernt hatte.

Der Bach und sein Umfeld inspirieren bis heute viele Menschen. An den Ufern von Örtze, Wietze und Kleiner Örtze, im Kulturraum Oberes Örtzetal, schufen verschiedene Künstler der Region den Skulpturenweg Wasserkunst. Raumgreifende Kunstwerke unterschiedlichster Art gilt es zu entdecken. Über Rad- und Fußwege sind sie alle miteinander verbunden und gut zu erreichen.

Äschen in der Örtze - Ein Zeichen guter Wasserqualität

Etwas Besonderes spielt sich in der Örtze unter der Wasseroberfläche ab. Fische gehören zu den Lebewesen, die oft wenig beachtet werden, weil wir sie nicht leicht sehen oder hören können. Lange Zeit unbeachtet hat sich im Oberlauf der Örtze ein autochthoner Äschenbestand erhalten. Das heißt hier lebt noch eine einheimische, sich selbst reproduzierende Population dieses Fisches. Äschen sind sehr empfindlich, was die Wasserqualität und -temperatur angeht und sie benötigen Kiesbänke in Flachwasserzonen als Laichplätze.

Dank umfangreicher Bemühungen ist die gute Wasserqualität der Örtze weiter gestiegen und die Kiesbänke und deren Erhalt sind im Fokus von engagierten Naturschützern. Einer von ihnen ist Dieter Kreuziger. Er ist Vorsitzender der Angelsportgemeinschaft (ASG) Müden/Örtze e.V. Die ASG und die anliegenden Fischereivereine an der Örtze bemühen sich seit vielen Jahren den Lachs, die Meerforelle sowie verschiedene Kleinfischarten wieder in der Örtze heimisch werden zu lassen. Auch an anderen Flüssen und Bächen in Niedersachsen beteiligen sich viele an dem ambitionierten Vorhaben. Zu diesem Zweck werden die Kiesbänke als potentielle Laichplätze gepflegt und als Initialbesatz tausende von aufgezogenen Junglachsen und Meerforellen ausgesetzt, in der Hoffnung, dass einige von ihnen zurückkehren und wieder einen natürlichen Bestand begründen. Um den Wiederaufstieg der Lachse zu ermöglichen, laufen seit langem Bemühungen die zahlreichen Barrieren zu entschärfen. Eine Möglichkeit sind dabei so genannte Fischtreppen. Diese künstlich geschaffenen Umleitungen sollen es Wanderfischen und Kleinstlebewesen ermöglichen, ohne Schäden und Verluste flussauf- und flussabwärts zu schwimmen.

Eine solche Fischtreppe gibt es am alten Mühlenwehr in Wolthausen. Die heutige Mühle in Wolthausen wurde 1904 gebaut. Der Vorgängerbau war noch in Fachwerkbauweise ausgeführt, brannte aber um die Jahrhundertwende ab. Mehl wird hier nicht mehr gemahlen, aber mit der aufgestauten Kraft des Wassers wird elektrischer Strom erzeugt. Seit 1972 bemüht sich Berthold von Limburg die Mühle zu erhalten. Er hat mit großem persönlichen Aufwand die Gebäude hergerichtet und die umgebene Kulturlandschaft weiterentwickelt. Seine Fischtreppe führt in insgesamt zehn Stufen unter dem alten Nebengebäude entlang. Von Limburg hat bereits einige Fische dabei beobachtet, wie sie diesen Weg bachaufwärts nahmen. Auch Bachneunaugen gehörten dazu. Bis Lachse und Meerforellen wieder in Scharen zurückkommen können, sind allerdings noch weitere Bemühungen nötig. Die von der EU geforderte Durchgängigkeit von Fließgewässern bis zum Jahr 2015 ist vielerorts noch ein Problem.

Entecken auch Sie die Landschaft entlang der Örtze!


Naturinteressierten sei der Fluss-Wald-Erlebnis-Pfad empfohlen. Dieser Entdeckerpfad entlang der Örtze bietet viel Wissenswertes. Zwischen Müden (Örtze) und Hermannsburg verlaufen die Teilabschnitte Kleiner und Großer Flusspfad (3 bzw. 7,5 km) und Kleiner und Großer Waldpfad (3,5 bzw. 6,5 km). An 40 Wegstationen gibt es viel zu entdecken.

Weitere Informationen über Ausflugziele, aktuelle Pegelstände und Befahrensregeln der Örtze, aber auch für den Erwerb von Angelerlaubnisscheinen sind bei den Tourist-Informationen in Müden (Örtze) und Hermannsburg erhältlich. Es gibt viele Gründe und Wege, den „echtesten Heidefluss“ einmal selbst zu erleben.