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Sülfmeister in Lüneburg

Interview mit dem Sülfmeister Gerd Bindernagel

Lüneburg
©(c) Lueneburger Heide GmbH
Lüneburgs Sülfmeister Gerd I
Bei den Sülfmeistertagen in Lüneburg werden Auswirkungen des Salzes bis heute gefeiert. Aber was ist eigentlich ein Sülfmeister?

Die Geschichte der Lüneburger Sülfmeister: Salz, Macht und Wohlstand

Die Stadt Lüneburg, gelegen im Herzen Norddeutschlands, hat eine lange und faszinierende Geschichte. Eine Geschichte, die eng mit der Salzgewinnung und den sogenannten "Sülfmeistern" verbunden ist. Im folgenden Artikel werfen wir einen Blick auf die Bedeutung dieser Sülfmeister und wie sie über Jahrhunderte hinweg Wohlstand und Macht in dieser Stadt sicherten.

Die Bedeutung des Salzes in Lüneburg

Im 12. Jahrhundert spielte die Salzgewinnung eine entscheidende Rolle im Leben der Stadt Lüneburg. Zu dieser Zeit war Salz ein äußerst wertvolles Gut und wurde in der Einheit "Chor" gemessen, wobei ein Chor etwa 300 Reichsmark entsprach. Die Lüneburger Saline, zwischen Sülzwiese und Kalkberg gelegen und von starken Mauern umgeben, war das Herzstück dieser Salzgewinnung.

Die Sülzbegüterten und die Sülfmeister

Die Eigentümer der Siedepfannen zur Salzgewinnung wurden als Sülzbegüterte bezeichnet. Sie mussten nicht notwendigerweise in Lüneburg ansässig sein. Die Sülzbegüterten verpachteten ihre Pfannen an in Lüneburg ansässige Siedeberechtigte. Wenn ein Siedeberechtigter mindestens vier Pfannen gepachtet hatte, erhielt er den Titel "Sülfmeister" und hatte das Recht auf eine eigene Siedehütte. Ein Sülfmeister konnte jedoch nie mehr als zwei Hütten oder acht Pfannen besitzen, und die Pacht betrug die Hälfte des Siedepfannenertrags.

Veränderungen im 13. Jahrhundert

Im 13. Jahrhundert erfolgte eine wichtige Veränderung, als sich die Sülzbegüterten in Geistliche und Adlige aufteilten. Zwischen 1250 und 1320 stieg der bürgerliche Besitzanteil, während der Anteil der adligen Sülzbegüterten abnahm. Im Jahr 1370 war der geistliche und bürgerliche Pfannenbesitz fast ausgeglichen, aber nur ein Jahrhundert später gehörten bereits drei Viertel der Pfannen den geistlichen Sülzbegüterten, den sogenannten Prälaten.

Die Struktur der Salzgewinnung

Das Herzstück der Salzgewinnung in Lüneburg war der Sod, umgeben von 54 Siedehütten. Jede dieser Hütten beherbergte vier Siedepfannen, die nach ihren ersten Besitzern benannt waren. Die Sole wurde über Rinnen und Kanäle zu den Pfannen transportiert, und nach dem Erhitzen wurde das gewonnene Salz abgefüllt. Eine Salzbude für den Kleinverkauf und eine Zollbude für gerichtliche Salzangelegenheiten waren ebenfalls auf dem Siedegelände zu finden.

Die wirtschaftliche Bedeutung von Salz

Das Salz war nicht nur für die Stadt Lüneburg von enormer Bedeutung, sondern auch für den gesamten Ostseeraum. Als Konservierungsmittel für Lebensmittel wie Heringe, Fleisch, Butter und Käse war es jahrhundertelang äußerst begehrt. Dank der leicht zugänglichen Salzquellen konnte die Stadt große Mengen dieses "weißen Goldes" produzieren und in den gesamten Ostseeraum exportieren.

Der Niedergang der Sülfmeister

Obwohl Lüneburg dank des Salzes über Jahrhunderte hinweg Wohlstand und Macht erlangte, begann im 17. Jahrhundert der Niedergang. Der Dreißigjährige Krieg und die Konkurrenz durch Meersalz aus Frankreich hatten negative Auswirkungen auf die Salzproduktion. Handwerker traten in den Rat ein, und der Landesherr gewann wieder mehr Einfluss. Schließlich führte die Ölkrise im 20. Jahrhundert zum endgültigen Aus der Siedehäuser in Lüneburg. Am 12. September 1980 schloss das letzte Siedehaus seine Tore.

Die Erinnerung an die Sülfmeister

Die Ära der Sülfmeister mag vorbei sein, aber ihre Geschichte und ihr Erbe leben in Lüneburg weiter. Die Stadt verdankt ihnen einen Großteil ihres historischen Reichtums und ihrer Bedeutung. Heute erinnert das Deutsche Salzmuseum in Lüneburg an diese faszinierende Geschichte und zeigt, wie das "weiße Gold" einst die Stadt und die Sülfmeister geprägt hat.

Lüneburg mag nicht mehr die große Industriestadt sein, die sie einst war, aber die Erinnerung an die Sülfmeister und ihre Rolle in der Salzgewinnung wird immer ein wichtiger Teil ihrer Geschichte bleiben. Ein Blick zurück in die Vergangenheit zeigt uns, wie eng Salz, Macht und Wohlstand miteinander verknüpft sein können


Die Lüneburger Sülfmeistertage werden traditionell an einem Wochenende im Herbst gefeiert und locken bis zu 60.000 Besucher an. Verschiedene Teams aus der Region treten gegeneinander an und spielen in spannenden Wettkämpfen den Titel des Sülfmeisters aus, der für ein Jahr die Stadt Lüneburg repräsentiert.

Interview mit dem Sülfmeister Gerd I. (2019-2023)


Herr Bindernagel, Sie sind amtierender Sülfmeister der Stadt Lüneburg. Doch was ist eigentlich ein Sülfmeister?

Salz spielt in der Geschichte der Hansestadt Lüneburg eine gewichtige Rolle. Es war lange Zeit das wichtigste Konservierungsmittel für Lebensmittel und war daher unentbehrlich. Nicht umsonst wird das Salz auch als weißes Gold bezeichnet. Das Salz wurde in Siedehütten mit Hilfe von Siedepfannen gewonnen, die nur von Siedeberechtigten gepachtet werden konnten. Wenn jetzt ein Berechtigter vier Pfannen gepachtet hatte, wurde er Sülfmeister genannt. Sie genossen ein hohes Ansehen in der Stadt und ihr Wort hatte oft ein höheres Gewicht, als das eines Ratsherren. Diese Tradition wurde erstmals 1472 erwähnt und das letzte Siedehaus wurde erst 1980 geschlossen.

Salz wird heute anders gewonnen. Wie wird man denn ein moderner Sülfmeister?

Die Tradition wurde 2003 wiederbelebt. Salzpfannen, Berechtigungen und Pachten bleiben allerdings Geschichte. Heute Sülfmeister zu werden ist eine Teamleistung. Bei den Lüneburger Sülfmeistertagen müssen sich die Teams im Wettstreit beweisen und das Siegerteam stellt den neuen Sülfmeister.

Und dieses Jahr hat Ihre Mannschaft den Titel errungen?

Ja, wir Marktbeschicker sind dieses Jahr zum neunten Mal angetreten und habenden Titel schon zum siebten Mal geholt. Dieses Jahr mit einer ganz jungen Truppe, alles Kinder von uns Marktbeschickern, die die Wettspiele ganz ohne mich gewonnen haben. Mit viel Einsatz, Geschick, einer Portion Glück und 0,65 Sekunden Vorsprung beim Fassrollen.

Sie haben gar nicht an den Spielen teilgenommen? 

Nein, der Sülfmeister wird von jeder Mannschaft im Vorfeld ernannt. Ich habe mich natürlich vorher mit meiner Frau abgestimmt, denn es fallen ja viele repräsentative Aufgaben an. Ich bin in den Jahren zuvor allerdings öfters gestartet und habe mir meine faire Anzahl an blauen Flecken geholt, gerade das Fassrollen ist nicht ohne – man muss seinen Körper einsetzen und sich zu bewegen wissen. Viele andere Aufgaben müssen im Vorfeld gemeistert werden aber das Fassrollen ist das unangefochtene Highlight. Das wollen die Besucher sehen. Hier ist alles da – Spannung, Action und Drama. Jeder stoppt die Zeit und fiebert mit.

Wie fühlt es sich an, amtierender Sülfmeister zu sein und sich in diese geschichtsträchtige Tradition Lüneburgs einzureihen?

Oh, da muss ich etwas ausholen. Ich fühle mich sehr stark mit der Stadt Lüneburg verbunden. Seit 39 Jahren bin ich Marktbeschicker auf dem Lüneburger Wochenmarkt. Diesen Markt habe ich mit sechs das erste Mal besucht und mit zehn Jahren den ersten Stand gehabt. Ich wollte schon immer gerne Marktbeschicker werden, durch einen tragischen Fall in der Familie bin ich dann sehr früh in diesen Beruf gestartet. Der Kontakt zu den Lüneburgern und den Kunden hat mir immer sehr gut gefallen. Auch der Umgang mit den anderen Marktbeschickern ist fantastisch. Wir sind auf eine Art zwar Konkurrenten, ich empfinde unsere Truppe aber eher als große Familie, auf die ich mich verlassen kann. Lüneburg ist ein Teil von mir, die Sülfmeisterspiele kenne ich seid ihrer Neuauflage in 2003. Der diesjährige Sieg hat mich dann doch sehr überrascht. Trotz unserer erfolgreichen Vergangenheit bei den Spielen, habe ich nicht unbedingt mit einem Erfolg gerechnet, doch dieses junge Team hat alles gegeben und mir dieses Erlebnis ermöglicht. Es erfüllt mich mit Stolz und ich bin dieser Mannschaft sehr dankbar.

Euer Team stellt jetzt schon zum siebten Mal den Sülfmeister. Warum seid ihr so erfolgreich?

Als wir das erste Mal an den Spielen teilgenommen haben wurden wir ein wenig belächelt, da wir die einzige Mannschaft sind, die nicht für das Event trainieren. Ich sage aber immer, wir Marktbeschicker müssen nur die Vorrunde überstehen und wenn es dann ans Handwerkliche geht, dann sind wir ganz vorne mit dabei. Im richtigen Moment den richtigen Griff, das Bein dazwischen und einen blauen Fleck riskieren – das ist das Entscheidende beim Fassrollen. Das kennen wir vom Wochenmarkt, da sind wir schon morgens um 3 auf dem Markt und müssen anpacken – uns gegenseitig unterstützen.

Wo können unsere Gäste Sie als Sülfmeister treffen?

Auf den Stadtfesten und Eröffnungen in Lüneburg und die Weihnachtsmärkte besuche ich auch regelmäßig. Natürlich auch immer auf dem Wochenmarkt am Mittwoch und Samstag. Dann allerdings nicht in meinem historischen Gewand, das wäre viel zu schade. Auf dem Wochenmarkt wird gearbeitet und das Sülfmeister Gewand ist das teuerste Kleidungsstück in meinem Schrank.